Geometrisierende Deutung der Dinge
Auf den ersten Blick hat man den Eindruck, als gehöre der Maler und Grafiker Rudolf Letzig nicht in den Zusammenhang der
Dresdner Kunst. Bei genauerer Betrachtung wird jedoch deutlich, dass die künstlerische Entwicklung und der Stil dieses Malers ohne Dresden kaum denkbar wäre, ja dass zu den wichtigsten Komponenten der ästhetischen
Ordnung in Letzigs Malerei das in Dresden Vorgefundene gehört. Und die Bindung an diese Stadt und ihre Kultur hat für Letzig vielleicht eine existentiellere Bedeutung als für so manchen Vertreter des
Nachimpressionismus. Letztenendes ist dieser Maler ein Beweis dafür, dass man durchaus von einem anderen Gesichtspunkt aus die Atmosphäre einer Stadt empfinden kann, ohne mit seinem Werk als ein Fremdkörper
gegenüber der bekannten realistischen und impressionistischen Tradition gelten zu müssen.
Rudolf Letzig strebte schon frühzeitig in seiner Malerei nach klaren Strukturen und sinnfälligen Farbrhythmen. Vielleicht
kam ihm hierbei sein Interesse an Architektur entgegen. Und in baugebundenen Arbeiten, Mosaiken, Glasfenstern, Metallgestaltungen, haben sich dann schließlich auch zahlreiche schöpferische Gedanken realisieren
lassen. In seinem Tafelbildwerk und in der Grafik ist Rudolf Letzig freilich nie bei der reinen Zergliederung der farbigen Flächen, wie das für den Kubismus bezeichnend ist, stehen geblieben, er hat vielmehr unter
Berücksichtigung konstruktiver Farb- und Formgesetze nach einer geometrisierenden Deutung der Dinge gesucht und dabei eine Bildsprache entwickelt, deren figurative Motive in einem dynamischen Spannungsverhältnis
plastischer Farbwirkungen und eines eigentümlich streng und sorgfältig abgestuften Raumes leben.
Die Kritik hat einmal hervorgehoben, dass zugleich eine „elegische Stimmung" in den
Bildern von Letzig mitschwinge. Und darin zeigen sich wohl Verwandtschaften mit anderen Malern der Dresdner Schule, eine gewisse Korrespondenz beispielsweise zu Hans Jüchser, wenngleich dieser in seiner formalen
Haltung einer anderen Orientierung unterliegt. So finden sich in Letzigs Malerei und Grafik Arbeiten, die in einer eindeutig vereinfachten Form und Stilisierung empfindsame Wahrnehmungen vom Menschen enthalten.
Gerade die Darstellungen mit Figuren im Raum, aber auch einzelne Stillleben, in denen der Künstler durch Zusammenfassung des Verworrenen und durch Klärung des Formlosen eine Sphäre der körperlichen und auch
seelischen Harmonie herbeiführt, rechtfertigen es, die Position dieses Malers innerhalb der Dresdner Kunst deutlicher werden zu lassen.
Elsa Niemann
aus Faltblatt zur Ausstellung Galerie am Elbtor Pirna 1986
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