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Konstruktion und Harmonie

 

Konstruktion und Harmonie

Zum Tode des Dresdner Malers Rudolf Letzig

 

Wie der Redaktion erst jetzt bekannt wird, ist der Maler und Graphiker Rudolf Letzig am 13. September im Alter von 85 Jahren in Dresden gestorben. Rudolf Lctzig gehört zu den Künstlern, die schon frühzeitig begriffen hatten, daß im Zeitalter der Mechanisierung und Technifizierung der Malerei eine neue Rollezukommen muß. Er vollzog demzufolge in seinem Werk entschlossen eine Wendung zur Sachlichkeit und zur funktional-konstruktiven Gestaltung. In seinen Anfängen befand sich Rudolf Letzig, der sich übrigens autodidaktisch mit der Kunst befaßte, noch weitgehend in Übereinstimmung mit der traditionellen Malerei in Dresden. Hier war es vor allem ein Maler wie Hans Jüchser, dem er sich lange Zeit wesensverwandt fühlte. Und außerhalb der Dresdner Schule galt seine Verehrung Georg Schrimpf.

Ein vertieftes Studium der Natur, das Hervorheben wesentlicher Formen und das Bemühen um eine kraftvolle und klare Farbkonstruktion sind kennzeichnend für Letzigs Malereien der vierziger und fünfziger Jahre. Er entfaltete zugleich einen Sinn für das Monumentale, und seine originelle bildschöpferische Phantasie erfaßte Themen, die sich eigentlich hervorragend für dekorative Aufgaben der Wandmalerei geeignet hätten. Auch das Gefühl für deren tektonische Forderungen war bei Letzig vorhanden. Doch es kam leider nur zu wenigen, allzu spärlichen Lösungen. Die Wirkung seines Stils auf den monumentalen Bereich der Malerei und wohl ganz allgemein auch auf die angewandte Graphik in Dresden war jedoch spürbar.

In den späten fünfziger und frühen sechziger Jahren gelang es Letzig, einen ganz persönlichen Stil zu entwickeln, der ihn innerhalb der Dresdner Kunst als eine originäre Erscheinung auszeichnen sollte. Einerseits unterwarf er die Wirklichkeit einer geometrischen Ordnung, und andererseits kultivierte er eine malerische Anschauungsweise von äußerster Farbigkeit. So baute er seine Darstellungen in breiter Pinselführung und scharf umrissenen Flächen auf. Bestechend ist die Farbkultur seiner Bilder und der organische Aufbau, selbst dort wo die Kompositionen von harten Kontrasten beherrscht werden. Seine Malerei bedeutete Absage an die kultivierte Eleganz des Impressionismus, an deren mitunter verschwommene Ausdrucksformen, Absage aber auch an jegliche Vergröberung des Expressionismus, an formale Verwilderung und innere Verworrenheit. Mit einem durchdachten System künstlerischer Ausdrucksmittel wollte Letzig den extrem individualistischen Richtungen der Kunst eine auf das Rationale gerichtete Methode entgegensetzen.

Rudolf Letzig, 1903 in Ehrenfriedersdorf geboren, kam nach dem Abitur zum Studium an die Technische Hochschule in Dresden. Mit einem Diplom als Gewerbelehrer war er dann bis in die vierziger Jahre an Gewerbe- und Berufsschulen im Dresdner Raum tätig. Seit 1946 freischaffend, zunächst in Dippoldiswalde, dann in Dresden, gab er nebenbei immer noch Unterricht in Porzellanmalerfachklassen, sowie in Farblehre und Freihandzeichnen.

Rudolf Letzigs Werk umfaßt neben malerischen und graphischen Arbeiten auch solche der angewandten Bereiche:

Mosaikgestaltungen, Metallarbeiten, farbige Glasfenster. In seinen Porträts, Akten, Landschaften herrscht ein konstruktiver Geist, Harmonie wird dort durch einen fein abgestimmten Hell-Dunkel-Rhythmus erzeugt. Die ungestörte Selbstständigkeit der Motivformen fällt dabei ins Gewicht. Auf weitgehend abstrahierte Bilder folgen gegenständlich leicht ablesbare Verknüpfungen, auf flächige Figurationen mehr räumliche Konstruktionen. Von der Kunstgeschichte ist sicher das letzte Wort zum Schaffen Rudolf Letzigs noch nicht gesprochen worden,. Seine letzte große Ausstellung hatte er im Herbst 1986 in der Pirnaer Galerie am Elbtor. Man war sich damals schon einig, daß eine Aufarbeitung seines umfangreichen Werks notwendig ist und zu einer positiven Neubewertung führen muß. In einer Zeit, da wir uns immer mehr auf technische Gestaltungsverfahren besinnen und mittels moderner Erkenntnisse auch in der Kunst auszusprechen versuchen, könnten die Bemühungen Rudolf Letzigs um eine strenge Kompositions-Ordnung gegenüber formauflösenden Tendenzen und die Einbeziehung einer geradezu mathematischen Logik in die Malerei eine Orientierungshilfe sein.

 

Elsa Niemann, “Union” vom 01.10.1989