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Lyrisch und konstruktiv

Lyrisch und konstruktiv

Bedeutsame TH-Ausstellung Rudolf Letzigs

Nachdem Professor Karl Trinks Ende vorigen Jahres im Institut für Kulturwissenschaften und Berufspädagogik mit einer Ueberschau Dresdner Gegenwartskunst bekannt gemacht hat, die wohl die Hälfte der in Dresden vorhandenen guten Kräfte vereinigte, lässt er nun eine Einzelausstellung folgen, der sich weitere anschließen werden. Alle  sollen das Ziel der Publikumserziehung verfolgen. Hier handelt es sich um Rudolf Letzig, der Oelbilder, Monotypien und Holzschnitte ausgewählt hat. Der Künstler ist für dieses Institut besonders bedeutsam , weil sein beruflicher Werdegang eng mit der Technischen Hochschule verbunden ist. Nach seinem Studium war der 1903 geborene von 1932 bis 1948 hauptberuflich als Diplomgewerbelehrer für Maschinenwesen im Schuldienst tätig. Erst nach dem Kriege begann sein freiberufliches Wirken als Künstler. Letzig ist also im Wesentlichen — bis auf Abendkurse der Akademie —Autodidakt. Heute gilt es, Letzig sowohl als Einzelerscheinung als auch im Zusammenhang mit dem Dresdner Kunstleben zu sehen und zu würdigen. Es ist interessant, zu verfolgen, wie sich seit 1945 und dann während der letzten zehn Jahre die künstlerische Rangordnung der Dresdner Malerschaft sichtlich verschoben hat. Und das sehr zugunsten derer, die nach langem Anlauf spät aber sicher durchs Ziel gingen. Die bewährten Lieblinge der Kunstfreunde haben sich erhalten, aber das hindert nicht, daß sie von anderen eingeholt worden sind, von Autodidakten, die lange Zeit niemand kennen wollte. Heinrich Kühl gab, wie für manche, auch für Letzig den Auftakt, den Weg in die Oeffentlichkeit zu verbreitern. Wer möchte ihn heute noch Wegdenken?

 

Lyrisches vereint sich bei Letzig mit Konstruktivem. Eine vibrierende Stille erhebt sich über allen seinen Bildern. Ein Bahnhof wölbt sich aus Baumwerk über den Wegen. Ein Mädchen sitzt, neben sich einen Pudel, auf einer Wiese zwischen Pappeln, die wie feierliche Standarten aufragen. Ein Bauerngarten mit Katze und Blumen und Segel am Meer. Oder ein Obstkarren auf nachmittäglicher Straße. Das sind die Themen Rudolf Letzigs. Eine elegische Stimmung schwingt in den Dingen, wenn er sie malt. Das wird unterstützt durch die Farbwahl. Auf betonter Flächigkeit stuft sich eine zärtliche Palette von Violetts, Rosas und vielen wie in einem einsamen Treibhaus gezüchteten Grüns. In den Monotypien behandelt Letzig meistens dieselben Themen, die in den Gemälden vorkommen. Es ist aber dennoch und gerade anregend, die Bildthemen von der Farbe abstrahiert zu sehen, in einer malerischen Grafik-Technik. Auch das kraftvolle Würfelspiel des Schwarz-Weiß versteht Letzig in seinen Holzschnitten zu spielen. Das Blatt der lesenden Frau und die Köpfe eines Liebespaares erscheinen besonders glücklich gelöst. Als kleine Beigabe hat Rudolf Letzig zwei Entwürfe für Supraporten hinzugefügt, die aber die ganze Aufmerksamkeit des Besuchers auf sich lenken sollten. Wie Letzig diese selbstgestellte Aufgabe farbig, formal und in der Idee bewältigt, ist aller Bewunderung würdig. Konkrete Aufträge können oft nicht geahnte künstlerische Werke ans Licht fördern, solch ein Selbstauttrag aber noch eher. Man sollte, wenn man nicht Gelder für unbenutzbare Entwürfe  verschwenden will, Letzig Gelegenheit geben, seine Entwürfe in die Wirklichkeit umzusetzen.      

 De. H., „Union“ vom 27.04.1956