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Raumstrukturen voller Spannungen

Zum 85. Geburtstag des Dresdner Malers und Grafikers Rudolf Letzig

Rudolf Letzig gehört  zu jenen Dresdner Künstlern, deren Rang und Bedeutung über die Region hinaus erst relativ spät erkannt wurde. Es war das Verdienst von Elsa Niemann, dass sie im Herbst des Jahres 1986 in ihrer Galerie am Elbtor in Pirna - damals noch auf der Karl-Marx-Straße - die bis dahin umfangreichste Retrospektive Rudolf Letzigs zustande brachte, eine Ausstellung, die sowohl dem malerischen wie auch dem druckgrafischen Werk Rechnung trug. Letzig hatte sich zuvor größeren Präsentationen stets verschlossen, da er sich einmal wenig um den Kunstbetrieb und seine Bedürfnisse kümmerte und zum anderen bestrebt war, möglichst unberührt von der Öffentlichkeit an seiner künstlerischen Sprache zu arbeiten und diese zu einer unverwechselbaren Handschrift zu disziplinieren. Kleinere Kollektionen, u. a. bei Kühl (1976),bei Kunst der Zeit (1982) oder im Kino Prager Straße (1980) konnten das Werk nur bruchstückhaft erschließen helfen. Der umfassende Durchbruch zu einer kritischen Würdigung blieb daher der Galerie am Elbtor vorbehalten, da sie zum ersten Mal das gesamte Gestaltungsrepertoire Letzigs ausbreiten konnte. Rudolf Letzigs hohe Autorität lässt sich wohl heute nicht mehr bestreiten. In der Dresdner Kunst finden wir relativ wenige Maler, die so der Materie verhaftet sind, wie Letzig. Materie freilich bedeutet für ihn nicht etwas Verhärtetes oder rein Stoffliches. Es ist vielmehr eine Verdinglichung der Form zu bemerken. Und die innere Dynamik der Formen will Letzig schließlich an die Oberfläche bringen. Raumstrukturen sind erfüllt von Spannungen. Dabei ist das Hervorstechende, dass Letzig die Wirklichkeit einer geometrischen Ordnung unterwirft. Der Gefahr. dadurch ins Alogische abzugleiten und einer allzu strukturalen Konstellation zu huldigen, entgeht der Maler durch den Einsatz der Farbe, die er so konkret und objektiv wie nur möglich setzt und auf deren Wechselwirkungen er größten Wert legt. In seinen Bildern finden sich nur selten naturalistische Anklänge und auch nicht die kultivierte Eleganz des Impressionismus, sondern viel eher Absage an die verschwommenen malerischen Ausdrucksformen, insbesondere an das düstere Kolorit. Absage aber auch an jegliche Vergröberung des Expressionismus und an formale Verwilderung. Letzig ist ein Künstler, der vielmehr mit einem restlos durchdachten System künstlerischer Mittel in Erscheinung treten möchte. Der Künstler, der am 7. November in Dresden seinen 85. Geburtstag begeht, kann auf ein opulentes Werk zurückblicken. Neben der Ölmalerei, den verschiedensten grafischen Techniken hat er sich auch mit baugebundener Kunst auseinandergesetzt (Mosaik- und Metallgestaltung, farbige Glasfenster). Im Thematischen offenbart sich eine ungestörte Selbständigkeit der Motive ohne unmittelbare Bezugnahme auf Vorangegangenes oder Folgendes sowie ein restloses Ausleben der einmal für richtig erkannten Formbeziehungen. Natürlich gibt es Anklänge an bereits Bekanntes, so etwa im Radierwerk an die Neue Sachlichkeit, im Linolschnitt und in der Malerei an den Konstruktivismus. Auf weitgehend abstrahierte Bilder folgen wieder gegenständlich ablesbare Verknüpfungen, auf flächige Figurationen mehr räumliche Konstruktionen. Auch expressive Lösungen finden sich da und dort, so beispielsweise in Letzigs Monotypien. In einer Zeit, da sich zahlreiche Künstler mehr und mehr auf technische Gestaltungsverfahren besinnen, könnten die Bemühungen Rudolf Letzigs um eine strenge Kompositionsordnung und um mathematische Logik als Orientierungshilfe dienen. „Gerade die Darstellung mit Figuren im Raum, aber auch einzelnen Stillleben, in denen der Künstler durch Zusammenfassung des Verworrenen und durch Klärung des Formlosen eine Sphäre der körperlichen und auch seelischen Harmonie herbeiführt, rechtfertigen es, die Position dieses Malers innerhalb der Dresdner Kunst deutlicher werden zu lassen" (E. Niemann). Die Verdichtung der Wirklichkeit, wie sie Rudolf Letzig vollzieht, sowie der Hang zur wohlgeordneten Komposition und der Sinn für klangvolle, kultivierte Farbgebung in einem scharfen zeichnerischen Gerüst stehen in enger Beziehung zum Formwillen unserer Gegenwart. Angesichts seiner noch immer erstaunlichen Fähigkeit des Künstlers zum ruhigen und konstruktiv klaren Gestalten, kann man in seinem Falle von einem Alterswerk nicht sprechen.

Gert Claußnitzer

Union (Dresden), Kulturteil, 7.11.1983